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Hochbegabte Kinder fördern – aber wie? Die zwei Säulen der Begabungsförderung in der Schule

Aktualisiert: 2. Juni

Dreht


Hochbegabte Kinder haben im Unterricht andere Bedürfnisse als ihre Mitschüler. Sitzt dort ein Kind, welches schneller mit den eigentlich vorgesehenen Aufgaben fertig ist und wenige bis keine Wiederholungen benötigt, ist oft guter Rat teuer.

 

Was kann man also tun?  Ich möchte hier zwei Möglichkeiten beschreiben, die auch überwiegend in Schulen angewendet werden – wenn auch tlw. mehr in der Theorie als in der Praxis. Diese Möglichkeiten sind nicht an das Merkmal „Hochbegabung“ geknüpft und können für alle Schüler angewendet werden.

 

Enrichment

Enrichment bedeutet die Anreicherung oder Vertiefung des Stoffes, was grundsätzlich so auch im Lehrplan für alle Kinder vorgeschrieben ist.

 

Enrichment ist für alle Kinder geeignet, die ein besonderes Interesse haben. Wenn das Kind neuen Stoff gut aufnehmen kann und wenig Wiederholungen braucht, ist es eine gute Möglichkeit um Unterforderung, aber auch Störungen aus Langeweile zu verhindern.

 

Im Rahmen des Enrichment gibt es die Möglichkeit der inneren und äußeren Differenzierung. Bei der inneren Differenzierung findet die Förderung überwiegend im Klassenverband statt. Entweder einzelne Kinder bekommen separate Aufgaben oder es werden Gruppen unterschiedlicher Kompetenzen gebildet. Bei der äußeren Differenzierung verlassen die Kinder den Klassenverband.

 

Beispiele für innere Differenzierung

Anderen Kindern helfen

Insbesondere hochbegabte Kinder sind häufig schneller mit Ihren Aufgaben fertig als die anderen. Sie könnten in der übrigen Zeit anderen Kindern bei den Aufgaben helfen und quasi als Hilfslehrer einspringen.

Hier muss darauf geachtet werden, dass die Bedürfnisse des Kindes nach eigener Unterstützung nicht zu kurz kommen. Es wäre fatal, dass Kind immer nur als Hilfslehrer zu „missbrauchen“ mit dem Ziel, es ruhig zu stellen. Auch kann nicht jedes Kind gut erklären.


Das Kind kann in die Rolle des Lehrers schlüpfen

Das Kind könnte eigene Vokabeltests entwickeln, Matheaufgaben stellen oder Grammatikregeln anfertigen. Eine andere Möglichkeit wäre auch die Vorbereitung eines Vortrags (z.B. über das Lieblingshobby) und dazu Aufgaben und Antwortbögen zur Verfügung zu stellen. Die Möglichkeiten sind hier schier unendlich und in allen Fächern und Jahrgängen möglich.


Vorbereitung auf einen Wettbewerb

Die Zahl der möglichen Wettbewerbe ist groß. In der Praxis sehe ich häufig, dass zwar über die Wettbewerbe informiert wird, aber ansonsten nicht viel passiert und die Kinder sich alleine kümmern sollen. Die Kinder brauchen moralische Unterstützung und einen Mentor, der die Vorbereitung auf den Wettbewerb begleitet. Wenn die Lehrkraft keine Zeit findet, könnte dies ggf. auch ein älterer Schüler übernehmen.


Individueller Lehrplan

Es gibt die Möglichkeit, individuelle Lehrpläne zu erstellen. Das ist auf der einen Seite mit Mehraufwand für die Lehrkräfte verbunden, auf der anderen Seite nur für Kinder geeignet, die bereits ein hohes Maß an Selbständigkeit mitbringen.

Bei besonders sprachlich begabten Kindern wäre eine Möglichkeit, dass zwei Fremdsprachen parallel gelernt werden, in dem der Unterricht abwechselnd besucht wird – in NRW z.B. Französisch und Latein ab der 7. Klasse.

 

Beispiele für äußere Differenzierung

Drehtürmodell / Förder-Forder-Projekt

Beim Drehtürmodell verlassen die Kinder den Regelunterricht, um in Fächern höherer Jahrgänge teilzunehmen oder im an Projekten zu arbeiten. Wenn z.B. ein Kind in Mathe bereits weitgehende Kenntnisse hat, kann es im Matheunterricht der nächsthöheren Stufe teilnehmen. Im Förder-Forder-Projekt suchen sich die Kinder ein Thema selbst aus und müssen sich dies auch selbst erarbeiten. Den Abschluss bildet eine Zusammenfassung, welche z.B. im Klassenverband vorgestellt werden kann.


Frühstudium

Es gibt bereits viele Unis, die ein Frühstudium ermöglichen. Die „Scheine“ werden auf das spätere Studium angerechnet (sofern die gleiche Fachrichtung).

 

Wichtig: Steht in der eigenen Klasse neuer Stoff auf dem Plan kann dieser ggf. erst einmal dort gelernt werden. Klassenarbeiten müssen i.d.R. ebenfalls mitgeschrieben werden.

Inhaltlich verpasster Stoff muss zu Hause aufgearbeitet werden.

 

Akzeleration

Unter schulischer Akzeleration ist jede Maßnahme zu verstehen, die es einer Schülerin oder einem Schüler ermöglicht, den vorgesehenen Lehrplan insgesamt oder Teile davon früher zu beginnen, zu beenden oder schneller zu passieren, als es teils üblich, teils gesetzlich vorgesehen ist.

 

Zu den in Deutschland am häufigsten angewandten Formen von Akzeleration gehören die frühe Einschulung, das Überspringen von einer oder mehreren Klassen, Überspringen in einem Fach und das Frühstudium.

 

Der Klassensprung löst sowohl bei Eltern als auch bei Lehrkräften Bauchschmerzen aus. Der Leistungsdruck sei zu hoch, die anderen Kinder zu alt, das Kind verlässt seine Freunde und findet unter den Älteren keine neuen. Die Praxis zeigt jedoch, dass die Sorgen unbegründet sind, wenn die Schritte zum Klassensprung gut begleitet werden.

 

In den letzten Jahren scheint der Trend wieder dahin zu gehen, dass Kinder eher spät als früh eingeschult werden („sonst stehlen wir ihnen die Kindheit“). Ja, das mag für einige Kinder der richtige Weg sein, aber eben nicht für alle. Von solchen für allgemein gültig erklärten Thesen darf man sich gerne trennen, wenn die Bedürfnisse des Kindes nun mal andere sind.


Last but not least 

Ist doch einfach, werden jetzt einige sagen und manche Lehrkräfte praktizieren die innere Differenzierung bereits seit Jahren. Die Klassen sind allerdings inzwischen sehr heterogen. Kinder mit körperlichen/geistigen Handicaps, Kinder mit großen sozialen Problemen oder auch Flüchtlingskinder haben einen hohen zusätzlichen Betreuungsbedarf.  

 

Lehrkräfte können sich nicht teilen und stehen vor der Herausforderung, allen gerecht zu werden. Der Austausch mit vielen Eltern zeigt aber leider, dass alle Bemühungen häufig zu Lasten der Hochbegabten gehen.

 

Zudem kommt, das gut gemeint nicht zwingend gut gemacht ist. Wenn dem hochbegabten Kind einfach nur Mehrarbeit hingelegt wird und das Kind über der x-ten Wiederholung verzweifelt, wird es abspringen. Auch habe ich schon erlebt, dass Sonderaufgaben für das Kind so ungeschickt vermittelt wurden, dass das Kind von anderen Kindern ausgegrenzt wurde.

„Braucht der wieder ne Extrawurst??“ von Schülern gefragt und das Augenverdrehen der Lehrer sind oft dahergesagte und unbewusste Reaktionen. Das Kind versteht „ich bin lästig und mache zu viel Arbeit“.

 

Jedes Kind ist anders und jedes Kind braucht etwas anderes. Ob hochbegabt oder nicht. Auch bringt jedes Kind seine eigene Historie mit, die Unterstützungen zu Hause sind nicht bei allen gleich,…

 

Es gibt so viele Faktoren, die bei allen Maßnahmen mit berücksichtig werden müssen. Wichtig ist aber, alle Beteiligten ins Boot zu holen, damit Eltern, Schule und insbesondere das Kind gemeinsam an einem Strang ziehen.

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