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Hochbegabung: Kein Geheimnis, kein Makel – einfach nur eine Facette der menschlichen Vielfalt

  • Autorenbild: Denise Tollkamp
    Denise Tollkamp
  • 16. Okt.
  • 3 Min. Lesezeit
Hochbegabung als eine Ausprägung kognitiver Neurodivergenz
Hochbegabung als eine Ausprägung kognitiver Neurodivergenz

Hochbegabung ist für viele immer noch ein Tabuthema. Man spricht nicht gern darüber. Man will nicht arrogant wirken. Und schon gar nicht „eitel“ erscheinen.


Eltern googlen nachts heimlich die „Merkmale von Hochbegabung“ und trauen sich selbst in der Familie nicht laut darüber zu sprechen, denn laut Oma „gab es so was früher alles nicht“.  Still und heimlich hoffen sie vielleicht sogar, dass der Kelch an ihnen vorüberzieht.


Selbst wenn das Ergebnis schwarz auf weiß auf dem Tisch liegt: Viele Familien trauen sich nicht, das Thema in der Schule oder im Freundeskreis anzusprechen. Viele verschweigen die Ergebnisse ihren Kindern.

 

Dabei ist Hochbegabung kein Verdienst – und auch kein Schönheitsfehler. Es ist ein Merkmal. Punkt.

Es gibt Menschen mit ADHS, mit Hochsensibilität, mit einer Rechenschwäche (Dyskalkulie), einer Lese-Rechtschreib-Schwäche (Legasthenie) oder einer außergewöhnlich schnellen Auffassungsgabe. Manche Menschen sind besonders sportlich, andere besonders musikalisch. Einige Kinder sprechen früh in vollständigen Sätzen, andere brauchen länger, entwickeln aber ein enormes Bildgedächtnis.


Vielfalt ist normal – auch im Denken.


Und genau das ist Hochbegabung: eine Form der kognitiven Neurodivergenz. Sie bringt ihre eigenen Stärken mit – und ihre eigenen Herausforderungen. Hochbegabte Kinder spüren oft früh, dass sie „anders“ ticken. Sie stellen unbequeme Fragen. Sie langweilen sich in der Schule. der sie verstehen Dinge intuitiv und blitzschnell, die andere noch nicht einmal wahrnehmen oder erst mit viel Anstrengung erfassen.


Dieses Anderssein kann isolieren – vor allem dann, wenn niemand darüber spricht. Wenn Hochbegabung wie ein „komisches“ Etikett behandelt wird, das man besser verschweigt, führt das oft zu Missverständnissen, Frustration und einem Gefühl der Einsamkeit. Kinder können ihre Fähigkeiten verstecken, um dazuzugehören, und Erwachsene leben oft mit der ständigen Angst, "aufzufallen" oder falsch verstanden zu werden.


Warum das Schweigen brechen?

Niemand schämt sich für eine hohe Musikalität. Oder für eine Lese-Rechtschreib-Schwäche. Warum also ausgerechnet für eine besondere Denkgeschwindigkeit oder ein hohes Maß an analytischem oder abstraktem Denken?


Vielleicht, weil in unserer Gesellschaft noch immer die Vorstellung mitschwingt, dass Hochbegabung automatisch mit Überheblichkeit zu tun hat. Oder dass es „den anderen“ gegenüber unfair ist, sich damit zu zeigen. Aber das ist ein Missverständnis.


Hochbegabung bedeutet nicht, „besser“ zu sein. Sondern einfach: anders zu denken.


Und wie bei jeder Form der Neurodivergenz braucht es Verständnis – kein Schweigen.


Wer sich traut, über Hochbegabung zu sprechen, hilft nicht nur sich selbst. Sondern auch anderen.

Es geht nicht darum, sich über andere zu stellen. Es geht darum, sich selbst zu verstehen und die eigenen Bedürfnisse zu erkennen. So wie jemand mit ADHS spezifische Strategien für Konzentration und Impulskontrolle braucht, braucht eine hochbegabte Person möglicherweise andere Impulse, komplexere Aufgaben oder einen schnelleren Lernrhythmus, um sich wohlzufühlen und ihr volles Potenzial zu entfalten.


Verständnis statt Schweigen

Wie bei jeder Form der Neurodivergenz braucht es Verständnis – kein Schweigen. Das Schweigen über Hochbegabung führt dazu, dass viele Menschen mit einem inneren Kampf leben, anstatt ihre einzigartigen Fähigkeiten zu nutzen und zu schätzen.


Wer sich traut, über Hochbegabung zu sprechen, hilft nicht nur sich selbst. Sondern auch anderen. Denn viele Erwachsene tragen dieses Thema wie ein gut gehütetes Geheimnis mit sich herum. Dabei wäre es so befreiend, zu erkennen:


  • „Ich bin nicht komisch. Ich bin einfach komplex.“

  • „Ich reagiere nicht über – ich nehme mehr wahr.“

  • „Ich langweile mich nicht, weil ich zu anspruchsvoll bin – sondern weil mein Gehirn andere Impulse braucht.“


Wenn wir anfangen, Hochbegabung als das zu sehen, was es ist – eine faszinierende Spielart des Menschseins und eine Form der neurologischen Vielfalt – dann muss sich niemand mehr dafür schämen.


Im Gegenteil: Dann können wir anfangen, die Vielfalt menschlicher Denkweisen wirklich zu würdigen und jedem Einzelnen den Raum zu geben, den er braucht, um sich zu entfalten.

 
 
 

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