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AutorenbildDenise Tollkamp

Was brauchen hochbegabte Kinder wirklich?

Aktualisiert: vor 5 Tagen

Braucht ein hochbegabtes Kind einfach nur Knobelaufgaben zum glücklich sein?


Warum sollte ein hochbegabtes Kind etwas anderes brauchen als andere Kinder? Stimmt – grundsätzlich gilt für alle Kinder das gleiche. Sie brauchen...


  • Liebe und Wärme

  • Wertschätzung

  • Förderung und Unterstützung

  • Übertragung von Verantwortung

  • sinnvolle, klare Regeln und Grenzen und Konsequenzen bei Nichteinhaltung

  • Erlernen von verkraftbarer Frustration


„Das Kind ist hochbegabt – wenn ihm langweilig ist, geben wir dem Kind einfach anderes Material und dann hat es ja, was es braucht. Zur Not lassen wir es ein paar Runden über den Schulhof laufen, dann ist er ausgepowert.“


Oh ha – So was sitzt erst einmal.



Sicherlich wurde von euch schon mal so etwas erlebt oder ihr habt es irgendwo gehört:


  • Ein Kind kippelt mit dem Stuhl, weil da dieses Geräusch ist… Das Geräusch einer Winterjacke, welches er nicht gut hören kann. Das Kind neben ihm trägt diese Jacke.

 

  • An der Schule gibt es jetzt neue Räume – alles ist lichtdurchflutet, außer der Tür gehen noch 2 weitere große Fenster zum Flur hinaus. Das Kind bekommt genau mit, welcher Schüler aus welcher Klasse gerade über den Flur läuft und weiß am Abend zu berichten, dass die Kinder aus der 5a viel häufiger auf Toilette dürfen als seine Klasse. Er muss aber auf diesem Platz sitzen bleiben, weil die Klassenlehrerin es so will.

 

  • Ein Junge, der eine Klasse übersprungen hat, kommt weinend mit dem neuen Roman für den Deutschunterricht nach Hause. Das Kind ist 11 und in der 7. Klasse. Das Buch handelt von der Vernichtung der Juden während des 2. Weltkrieges. Es fragte die Lehrerin, ab welchem Alter das Buch denn sei?? Die Antwort: ab 12. Als das Kind dann anmerkte, dass es erst 11 sei, wurde es belehrt, dass das Buch für die 7. Klasse freigegeben wurde und es sich mal nicht so anstellen soll.


Von solchen Erlebnissen gibt es viele – und sie alle zeigen eins: Die Lehrkraft hat keine Ahnung oder/und übersieht die Bedürfnisse der Kinder.


Wenn hochbegabte Kinder Forderung brauchen, gibt es zahlreiche Angebote (z.B. Enrichment, Akzeleration) sowohl in der Kita, der Schule als auch im privaten Bereich. Es gibt Vereine und Veranstaltungen, in denen sich Gleichgesinnte treffen können. Für kognitive Auslastung gibt es ausreichend Möglichkeiten - wenn sie denn wollen, können sie sich an einem großen Buffet von Möglichkeiten bedienen.


Das ist aber bei weitem nicht alles, was diese Kinder brauchen....


Was brauchen denn die Kinder?

  1. Ein Ohr – hört ihnen zu. Fragt sie doch mal, was heute los ist, warum es so unruhig ist. Fragt sie, was heute anders ist. Hochbegabte Kinder haben ein erstaunliches Gespür dafür, wo der Schuh drückt, und können dies ziemlich gut beschreiben.


  2. Liebe – überschüttet sie damit! Gerade hochbegabte Kinder haben durch das permanente Gefühl der Andersartigkeit und tlw. schon sozialer Isolation jede Umarmung nötig.


  3. Ein Auge – lernt die Bedürfnisse der Kinder kennen. „Ich sehe dich“. Was brauchst du heute, damit der Tag für dich ein guter Tag wird?


  4. Fokussiert euch nicht auf die Schwächen des Kindes. Guckt worin sie gut sind – lasst sie dort Erfolge sammeln.


  5. Wenn das Kind eine Frage hat, gebt ihm eine Antwort. Ihr müsst nicht alles wissen und auch nicht sofort antworten. Signalisiert dem Kind, dass ihr es gesehen und gehört habt und später darauf zurückkommt.


  6. Bleibt verbindlich bei euren Aussagen. Die Kinder merken, wenn ihr ihnen was vorflunkert oder Versprechen nicht einhaltet.


  7. Erziehung – sei es zu Hause oder in der Schule – heißt: Vormachen! Seid gute Vorbilder. Wenn ihr nie lest, könnt ihr schlecht erwarten, dass das Kind eine Leseratte wird. So ist es mit allem – wie geht ihr mit euch um, mit euren Gefühlen, den Gefühlen anderer? Was wollt ihr für eure Kinder? Lebt es vor.


  8. Hochbegabte Kinder spüren mit ihren feinen Antennen, wenn etwas nicht in Ordnung ist, es ihnen aber als „o.k.“ verkauft wird. Bleibt ehrlich und authentisch. Wenn es, z.B. in der Schule, zu privat ist, kommuniziere es. Sag einfach „du, es stimmt, mir geht es nicht gut. Aber es ist eine private Sache, über die ich nicht reden möchte.“ Das Kind versteht das und weiß trotzdem, dass seine Wahrnehmung richtig war.


  9. Hochbegabte Kinder haben eine hohe eigene Lerninitiative. Es kann sein, dass die Kinder sich bereits im Kindergarten das Lesen selbst beibringen. Lasst sie. Das Einzige, was durch das Ausbremsen gefördert wird, ist Frustration und das Gefühl, dass irgendwas nicht in Ordnung ist. Versucht eventuell, alternativen Stoff zu bieten und nicht den Schulstoff vorwegzunehmen.


  10. Viele hochbegabte Kinder lesen gerne und viel. Altersgerechte Bücher sind eher langweilig. Da „nicht lesen lassen“ keine Option ist, sollten sich die Bücher für ältere Kinder gemeinsam angeschaut werden. Nicht für jedes Kind sind Themen wie Sex, Drogen und Gewalt etwas, was in Jugendbüchern durchaus zum Thema wird. Lasst sie die Stellen überspringen oder geht sie gemeinsam durch, um sie emotional nicht zu überfordern.


  11. Aufgrund ihrer hohen Wahrnehmung reagieren sie eventuell anders als andere Kinder. Die Jacke macht ein Geräusch, die Socken knubbeln sich an der Naht, es ist zu laut, zu hell,....? Dann ist das so! Nehmt das Kind in seiner Wahrnehmung ernst. Kauft andere Socken, lasst ihn in der Schule (zumindest beim leisen Arbeiten) Kopfhörer tragen, sucht nach Alternativen und bindet das Kind in Entscheidungen mit ein.


  12. Vielleicht seid ihr anders aufgewachsen als euer Kind. Großer Freundeskreis, ständig ist was los und das Haus voller Gäste. Das muss nicht das Richtige für das Kind sein. Ein, zwei dicke Freunde, die wahrscheinlich ähnlich unterwegs sind, reichen diesen Kindern oft. Auf der Geburtstagsparty müssen nicht 10 Kinder eingeladen werden, wenn das Kind nur mit 2 Kindern alleine ins Kino möchte.


Das Aktivitätslevel ist an manchen Tagen enorm, zusätzlich brauchen einige Kinder im Verhältnis zu anderen Gleichaltrigen wesentlich weniger Schlaf.


Dann wird die Nacht zum Tag gemacht, weil irgendwas noch ausdiskutiert werden will.


Was Kinder am dringendsten brauchen, sind Eltern, die ausgeschlafen und zufrieden sind. Auch Eltern haben Bedürfnisse und brauchen ihre Auszeiten. Den Kindern darf man gerne auch seine eigenen Grenzen zeigen und erklären. Nicht alles muss sofort ausdiskutiert werden und manchmal muss auch einfach mal gar nicht diskutiert werden. Tischmanieren sind Tischmanieren, bei Rot geht man nicht über die Ampel und Anziehsachen verteilt man nicht in der ganzen Wohnung.  


Nicht alles muss einer Logik folgen, auch Kinder müssen lernen, Grenzen und Bedürfnisse anderer zu akzeptieren.


Schaut vielleicht auch mal selbst bei euch – aufgrund einer hohen Vererbungswahrscheinlichkeit trifft man oft mindestens ein Elternteil, welches ebenfalls hochbegabt ist. Insbesondere Mütter setzen sich mit ihrer eigenen Hochbegabung auseinander, wenn sie von der Hochbegabung ihrer Kinder erfahren.


Brauchen hochbegabte Kinder also irgendwas anderes als andere? Nicht grundsätzlich. Sie sind in vielen Dingen schneller, erleben viele Dinge viel intensiver und hinterfragen alles Mögliche. Sie brauchen daher manche Dinge früher, manche Dinge intensiver und sie akzeptieren schneller bei sinnvollen und logischen Erklärungen.



 

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