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Wenn der Kopf zu schnell für den Alltag ist: Hochbegabung und Höchstbegabung bei Kindern – zwischen Vorsprung und Überforderung

  • Autorenbild: Denise Tollkamp
    Denise Tollkamp
  • 18. Okt.
  • 3 Min. Lesezeit
Hochbegabe leben mit einem Fuß in der Zukunft
Hochbegabte leben mit einem Fuß in der Zukunft (Bild: Gemini)

Hochbegabte Kinder gelten häufig als "ihrer Zeit voraus". Doch was bedeutet das eigentlich – und in welchen Bereichen zeigt sich dieser Vorsprung? Studien und Erfahrungsberichte aus der Begabungsforschung zeigen: Hochbegabte Kinder sind ihren Altersgenossen kognitiv etwa 2–3 Jahre, höchstbegabte Kinder sogar 5–6 Jahre voraus. Doch dieser Vorsprung betrifft nicht alle Lebensbereiche gleichermaßen.


In diesem Beitrag möchte ich beschreiben, was dieser Entwicklungsvorsprung konkret bedeutet, und warum er für betroffene Kinder (und ihre Eltern) gleichermaßen Segen und Herausforderung sein kann – besonders wenn kognitive und soziale Entwicklung nicht im gleichen Tempo verlaufen.


Dabei geraten viele dieser Kinder in einen inneren Spagat: Tagsüber mitlaufen, nachmittags sie selbst sein.

 

1. Kognitive Entwicklung: Der Kopf läuft auf Hochbetrieb

Hochbegabte Kinder verfügen über außergewöhnliche geistige Fähigkeiten. Sie denken schneller, vernetzter, abstrakter – und oft tiefgründiger als ihre Altersgenossen.


Typische Merkmale:

  • Frühzeitiges Interesse an Zahlen, Buchstaben, wissenschaftlichen oder philosophischen Themen

  • Sehr großer Wortschatz, komplexe Ausdrucksweise

  • Hohe Auffassungsgabe – sie begreifen Zusammenhänge, bevor sie erklärt wurden

  • Starker Drang zu verstehen warum etwas so ist

  • Frustration bei repetitiven Aufgaben („Schon wieder das kleine Einmaleins?!“)


Höchstbegabte Kinder heben sich hier noch deutlicher ab. Ihr Denken ist nicht nur schneller, sondern oft so weit voraus, dass selbst Erwachsene ins Staunen geraten – oder ins Grübeln. Sie stellen Fragen, für die es keine einfachen Antworten gibt. Ihre kognitive Entwicklung kann dem eines Jugendlichen oder sogar eines jungen Erwachsenen gleichen – obwohl sie körperlich und sozial noch Kinder sind.


2. Soziale und emotionale Entwicklung: Nicht immer im Gleichschritt

Der Entwicklungsvorsprung in der sozial-emotionalen Reife ist bei hochbegabten Kindern deutlich weniger ausgeprägt – oder verläuft sogar asynchron zur kognitiven Entwicklung. Das bedeutet: Ein Kind kann komplexe physikalische Theorien verstehen, aber gleichzeitig auf Kritik empfindlich reagieren oder beim Spielen noch stark an Nähe und Bestätigung suchen.


"Typische" Herausforderungen:

  • Schwierigkeiten, sich in altersgleiche Gruppen einzufügen („Die interessieren sich alle nur für Fußball“)

  • Tiefe, oft existenzielle Gefühle („Warum gibt es Leid auf der Welt?“) bei gleichzeitig kindlichem Umgang damit

  • Perfektionismus, Angst vor Fehlern oder hohem Leistungsdruck

  • Unverständnis durch Gleichaltrige – oder sogar durch Lehrkräfte


Höchstbegabte Kinder sind hiervon besonders betroffen. Die Diskrepanz zwischen dem, was sie denken, und dem, was sie emotional verarbeiten können, kann zu innerem Stress führen. Hinzu kommt: Ihr Anderssein fällt stärker auf. Das kann zu Einsamkeit führen – oder zu unangepasstem Verhalten, das fälschlicherweise als "auffällig" oder gar "verhaltensgestört" interpretiert wird.

 

3. Warum das Umfeld den Unterschied macht

Ob Hoch- oder Höchstbegabung zur Chance oder zur Belastung wird, hängt stark vom Verständnis und der Unterstützung des Umfelds ab. Eltern, Erzieher und Lehrkräfte sind gefordert, die individuelle Entwicklung des Kindes zu begleiten – ohne es zu überfordern oder in ein Schema zu pressen.


Hilfreich sind:

  • Differenzierte Förderung – nicht nur mehr, sondern anders

  • Austausch mit Gleichgesinnten (z. B. in Fördergruppen oder Peergroups)

  • Offene Gespräche über Gefühle, Ängste und das „Anderssein“

  • Geduld: Auch ein kleines Genie braucht Zeit, Kind zu sein


Fazit

Hoch- und höchstbegabte Kinder leben oft mit einem Fuß in der Zukunft – zumindest geistig. Doch sie sind trotzdem Kinder mit all ihren Bedürfnissen, Unsicherheiten und Entwicklungsschritten. Wer sie in ihrer Ganzheit sieht – kognitiv und emotional –, legt den Grundstein dafür, dass sie sich gesund und glücklich entfalten können.


Denn Hochbegabung ist kein Wettrennen. Sie ist ein individueller Weg, der Verständnis, Begleitung und manchmal auch einfach ein bisschen mehr Geduld braucht.


 
 
 

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