Wenn Hausaufgaben nichts bringen – Hochbegabung und die Illusion von Gerechtigkeit
- Denise Tollkamp

- 30. Okt.
- 3 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 7. Nov.

Hausaufgaben bei hochbegabten Kindern: Warum sie oft keinen Sinn ergeben
Ein ganz normaler Nachmittag: Dein Kind kommt aus der Schule, wirft den Ranzen in die Ecke – und seufzt, als du nach den Hausaufgaben fragst.„Ich weiß das doch schon!“
Was viele Eltern hochbegabter Kinder kennen, ist kein Trotz und keine Faulheit. Es ist Frust über Aufgaben, die keinen Lernwert haben. Denn wenn Lernen bedeutet, Neues zu entdecken, dann sind Hausaufgaben, die nur Wiederholung bieten, kein Lernen – sondern Routine.
Wofür Hausaufgaben eigentlich gedacht sind
Im schulischen Alltag sollen Hausaufgaben mehrere Funktionen erfüllen:
Lerninhalte festigen und sichern,
Selbstständiges Arbeiten fördern,
Verantwortung und Organisation stärken,
und Lernlücken aufzeigen.
Kurz gesagt: Hausaufgaben sind als Brücke zwischen Unterricht und eigenständigem Lernen gedacht.
Doch diese Brücke trägt nur, wenn sie dem individuellen Lernstand entspricht.
Hochbegabung und Hausaufgaben: Wenn Wiederholung zur Bremse wird
Hochbegabte Kinder verstehen Inhalte meist sehr schnell – manche kennen sie bereits, bevor sie in der Schule besprochen werden. Wenn alle Kinder dann die gleichen Hausaufgaben erhalten, entsteht ein Ungleichgewicht:
Das, was für andere Vertiefung ist, wird für das hochbegabte Kind zur Wiederholung ohne Lernzuwachs.
Die Folgen:
Langeweile und Demotivation
Das Gefühl, Zeit zu verschwenden
Mitunter Verweigerung oder Nachlässigkeit – nicht aus Desinteresse, sondern aus Unterforderung
Das Problem liegt also nicht im Kind, sondern in der fehlenden Differenzierung der Aufgaben.
Warum Gleichheit nicht automatisch Gerechtigkeit bedeutet
In vielen Schulen gilt noch immer: Alle Kinder bekommen dieselben Hausaufgaben. Was zunächst gerecht klingt, kann in der Praxis ungerecht wirken.
Kinder mit Lernschwierigkeiten erhalten oft angepasste Aufgaben, die ihrem Lernstand entsprechen – zu Recht. Hochbegabte Kinder dagegen sollen sich angleichen, statt gefordert zu werden.
Das Ergebnis:
Sie lernen, sich zu unterfordern.
Sie erleben Schule als Wiederholung statt als Herausforderung.
Und sie verbinden Anstrengung mit Sinnlosigkeit.
Gleichheit im Aufgabenblatt ist keine Gerechtigkeit im Lernen. Individuelle Förderung sollte für alle gelten – auch für Kinder mit überdurchschnittlichen Fähigkeiten.
Hausaufgaben sinnvoll gestalten: So kann Differenzierung gelingen
Hausaufgaben können auch für hochbegabte Kinder wertvoll sein – wenn sie Herausforderung, Tiefe und Wahlmöglichkeiten bieten.
Mögliche Ansätze:
Offene Aufgabenstellungen: „Finde mehrere Lösungswege“ oder „Erkläre das Thema einem jüngeren Kind.“
Transfer-Aufgaben: „Wie lässt sich dieses Prinzip in der Natur oder im Alltag wiederfinden?“
Projektorientiertes Lernen: Eigene kleine Recherchen, kreative Experimente, Präsentationen.
Lernzeit statt Pflichtübung: Freiraum, um eigene Interessen zu vertiefen.
So behalten Hausaufgaben ihren Sinn – auch für Kinder, die schneller denken oder weiter sind.
Was Eltern tun können, wenn Hausaufgaben sinnlos erscheinen
Als Eltern bist du oft die Erste, die merkt: Das passt nicht. Hilfreich sind dann Gespräche, die respektvoll und lösungsorientiert bleiben:
Gesprächsansatz mit Lehrkräften:„Mein Kind empfindet die Hausaufgaben als zu leicht. Gibt es die Möglichkeit, gelegentlich alternative oder erweiterte Aufgaben zu bekommen?“
Wichtig: Es geht nicht um mehr Aufgaben, sondern um passende.
Und zu Hause gilt: Ermutige dein Kind, weiterzudenken, eigene Fragen zu stellen, kreative Zugänge zu finden. Auch wenn das nicht auf dem Aufgabenblatt steht – es ist echtes Lernen.
Fazit: Hausaufgaben müssen zum Kind passen
Hausaufgaben können nur dann ihren Zweck erfüllen, wenn sie an den Lernstand, das Tempo und die Bedürfnisse des Kindes angepasst sind.
Für hochbegabte Kinder heißt das: weniger Wiederholung, mehr Herausforderung. Denn Lernen bedeutet nicht, mehr vom Gleichen zu tun – sondern weiterzudenken.
Gleichheit mag fair wirken, aber pädagogisch gerecht ist Differenzierung. Echte Förderung entsteht, wenn Kinder erleben dürfen, dass ihre Neugier und ihr Können willkommen sind – auch bei den Hausaufgaben.



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